Und warum ist er so wichtig, nicht nur für die Meeresbewohner, sondern auch für alles Leben an Land?
Wie ist es doch schön am Strand zu sitzen und sich das Meer unter Wasser vorzustellen. Bunte Korallen, baumhohe Kelpwälder, farbenfrohe Fische, meterlange Haie und natürlich die skurrilen Lebewesen der Tiefsee. Einfach so dahinträumen, träumen vom satten Blau des Meeres.
Doch wie funktioniert denn dieser Lebensraum eigentlich? Eine Frage, die sich die wenigsten stellen oder jemals gestellt haben. Und doch sollte sich jeder einmal Gedanken darüber machen. Denn nur, wenn man weiß, wie etwas funktioniert, weiß man was passiert, wenn es nicht mehr funktioniert.
Prinzipiell muss hier erwähnt werden, ob an Land oder im Medium Wasser, der Kreislauf des Lebens ist überall derselbe. Pflanzen produzieren Sauerstoff, das Lebenselixier für Mensch, Tier und Kleinstorganismen. Organismen zersetzen alles Organische, seien es abgestorbene Pflanzen, tote Tiere oder aber auch Kot. Bei der Zersetzung des organischen Materials werden Nährstoffe freigesetzt wie Magnesium, Kalium, Phosphate, Eisensulfate und Stickstoff. Nährstoffe, die wichtig sind zur Bildung von neuem Leben.
Pflanzen nehmen die Nährstoffe auf, Tiere (oder Menschen) nehmen bei der Nahrungsaufnahme die gespeicherten Nährstoffe der
Pflanzen auf. Leben stirbt und Organismen geben die Nährstoffe wieder an die Natur ab. Ein perfekter Kreislauf, an Land so auch im Wasser.
Doch kleine Unterschiede sind da, Unterschiede mit immensen Auswirkungen.
An Land sind die Nährstoffe, gelöst aus dem abgestorbenen Leben, sogleich wieder am selben Ort verfügbar, um die nächste Generation an Leben damit versorgen zu können. Denn die Wurzeln der Pflanzen sind meist ganz in der Nähe des Zersetzten. Genau das ist unser Humus, unser Mutterboden. Auch der Sauerstoff in der Luft ist dank der Winde immer gleichmäßig und schnell verteilt.
Ganz anders spielt es sich im Medium Wasser ab. Kurz und knapp gesagt – Sauerstoffreiches Wasser befindet sich oben, das aber auch in der Tiefsee benötigt wird. Nährstoffe befinden sich in der Tiefsee, die aber an der Wasseroberfläche benötigt werden. Zwar werden durch den Kot z.B. von Walen auch an der Oberfläche Nährstoffe freigesetzt, dies wollen wir aber in diesem Bericht außer Acht lassen. Welche Funktion Wale als „Gärtner der Meere“ haben, werden wir ein andermal berichten.
??? Und wie funktioniert das nun, dass alle alles haben? Mit unseren Meeresströmungen, mit dem globalen Förderband, im Fachjargon auch thermohaline Zirkulation genannt. Um diesen lebensnotwendigen Ablauf genauer zu erläutern, hier die ausführliche Erklärung dazu:
Die Sauerstoffproduktion:
Die Meere und Ozeane produzieren immens viel Sauerstoff. Nicht nur für sich, er gibt ihn auch an die Luft ab und das nicht zu knapp. 2 von 3 Atemzügen, die wir einatmen, gehen auf das Konto unserer Meere. Ja, nicht nur Bäume produzieren Sauerstoff. Doch wer produziert ihn im Meer?
Genauso wie an Land – Pflanzen. Doch im Meer sind es Mikroalgen wie Kieselalgen, Goldalgen und Grünalgen, die dafür verantwortlich sind. Ebenso einige Arten von Cyanobakterien, die oft fälschlicherweise als Blaualgen bezeichnet werden, betreiben Photosynthese. Zwar wirken die meisten der 2000 Cyanobakterienarten toxisch, einige davon produzieren jedoch Sauerstoff. Doch Photosynthese kann nur dort betrieben werden wo auch Licht ist, sprich bis in eine maximale Tiefe von 200m. Vor allem brauchen diese Pflanzen Nährstoffe, welche aber am Meeresboden entstehen. Und hier kommen die Meeresströmungen ins Spiel.
Das globale Förderband:
Sicherlich habt ihr davon schon gehört. Doch auch hier gibt es viele Namen, hier kurz die Erklärungen dazu. Die thermohaline Zirkulation (das globales Förderband) umfasst alle Strömungen der Ozeane. Oberflächenströmungen genauso wie die Strömungen in den Tiefen.
Als Golfstrom wird nur ein Teil des Förderbandes bezeichnet, der durch Winde angetrieben von der Karibik in Richtung Grönland fließt. Dieser sorgt auch für das milde Klima bei uns, da er warme Luft und dadurch aufgewärmtes Wasser vom Äquator in Richtung Europa transportiert. Der Golfstrom geht fließend über in den Nordatlantikstrom, der aber nicht mehr seine Kraft bezieht von den Winden, sondern durch eine Sogwirkung. Denn vor Grönland sitzt der Motor des globalen Förderbandes.
Doch was passiert da? Wie funktioniert dieser Motor? Dazu ein paar Bilder bzw. noch ein wenig Vorwissen. Im Wort thermohaline Zirkulation befinden sich genau die 2 Begriffe, die das Förderband zum Laufen bringen – „thermo“ sprich Wärme und „halin“ steht für Salz.
Und genau hier ist der Motor enthalten. Kaltes Wasser ist schwerer als warmes Wasser. Ebenso ist mit viel Salz angereichertes Wasser schwerer als Süßwasser bzw. Wasser mit geringeren Salzgehalt. Trifft nun das warme, mit weniger Salz enthaltene Wasser des Golfstroms bzw. Nordatlantikstroms auf das Meereis vor Grönland, so schmilzt dieses. Meereis (max. 2m dick) ist dieser Teil der Arktis mit Eiskappen, das im Sommer durch die Strömung schmilzt, in den Wintermonaten baut sie sich wieder auf.
Dabei bindet das Meereis sehr viel Salz in sich. Schmilzt dieses Eis, so kühlt das Umgebungswasser ab und das konzentrierte Salz wird frei gegeben. Es entsteht schweres Wasser, das bis in die Tiefe von 3000m vor Grönland fällt. Wasser an der Oberfläche muss dadurch nachlaufen, es entsteht ein Sog, der nun den Nordatlantikstrom am Leben hält.
Was dabei wichtig ist – das bis in die Tiefsee abfallende, schwere Wasser hat noch einen Passagier mit dabei. Sauerstoff, der in den oberen Schichten von den Algen und Bakterien produziert wurde.
Unten angekommen verteilt sich der Strom breitläufig in Richtung Süden und versorgt dabei die ganze Tiefsee mit Sauerstoff.
Die Nährstoffgewinnung:
Wie schon erwähnt, sind in allen Lebewesen Nährstoffe gebunden. Stirbt eine Pflanze oder ein Meeresbewohner, so sinkt es in die Tiefsee auf den Meeresgrund.
Dort unten angekommen dient das tote Material entweder als Futter für die Tiefseebewohner, oder es wird von Kleinstorganismen zersetzt. Tiefseebewohner und Organismen sind angewiesen auf den Sauerstoff von der Oberfläche. Ergo, kein globales Förderband -> kein Sauerstoff am Meeresgrund -> keine Tiefseebewohner und Organismen in den Tiefen der Meere. Doch genau diese Organismen sind unabdingbar, denn bei der Zersetzung des organischen Materials geben sie wieder Nährstoffe frei. Und diese Nährstoffe werden wiederum an der Oberfläche benötigt, damit Algen und Bakterien gedeihen und Photosynthese betreiben können.
Nährstoffaustausch – Ausfahrt Oberfläche:
Wir wissen nun, wie Sauerstoff in den Meeren entsteht, wie dieser in die Tiefsee kommt, wie und wo Nährstoffe im Wasser entstehen. Aber wie kommen diese Düngemittel wieder an die Oberfläche?
Jeder Ozean endet irgendwo und geht von der Tiefe langsam immer höher, bis er auf Land trifft. Fließt an solchen Stellen noch der breite Tiefseestrom vorbei, nimmt er die Nährstoffe mit nach oben. Wahre Hotspots des Lebens bilden sich dort. Phytoplankton gedeiht, Zooplankton vermehrt sich, was wiederum Futter für Kleinfische wie Sardellen und Heringe ist. Hier treibt Schwarmfisch an Schwarmfisch seine Runden. Bei solch einem Futterangebot bleiben größere Jäger wie Tunfische, Schwertfische, Hai, Wale und Delphine nicht aus. Und der größte Jäger von allen, Homo Sapiens, leider auch nicht.
Mit seinen Fangmethoden übertrifft er jeden Spitzenprädator der Meere um das x-Millionenfache an Erbeuteten. Über die Fangmethoden der industriellen Fischerei findest du ebenfalls Berichte hier auf unserer Webseite.
Die Natur reguliert sich immer von alleine. Träge, aber sie kann es. Der Sauerstoff-Nährstoff-Kreislauf in den Ozeanen, der erst alles Leben in den Ozeanen ermöglicht, funktionierte hervorragend über hunderte von Millionen Jahren. Arten kamen, Arten gingen. Immer gemäß so, dass eine offene Nische sogleich wieder besetzt wurde von einer neuen Art.
Homo Sapiens:
Doch diese Zeit war für unsere Ozeane vorbei, als die Industrialisierung begann. Giftstoffe wurden in die Meere eingeleitet, die globale Schifffahrt nahm ihren Weg. Gesteigert wurde alles in den letzten 30 Jahren. Kunstdünger von den Feldern und Nitrate der Mastbetriebe flossen und fließen über die Flüsse in die Meere und sorgen dort für unnatürlich großes Algenwachstum. Mehr Algen bedeuten aber auch mehr tote Algen, die zu Boden sinken. Fakto, Bakterien in der Tiefe vermehren sich ebenfalls schneller und verbrauchen den gesamten Sauerstoff in diesem Lebensraum. Wo kein Sauerstoff ist, da auch kein Leben. Es entstehen Todeszonen. Das Meer kippt. Sicherlich, es gibt auch natürliche Todeszonen, jedoch nur auf kleinsten Gebieten und nur vereinzelt. (meist auf Höhe des Äquators)
Die vom Menschen erzeugten und unnatürlichen Todeszonen sprengen jedoch jede Vorstellungskraft.
Alleine durch die Schweinemasthaltung und der mit Kunstdünger aufrecht erhaltenen und monotonen Landwirtschaft (Mais und Soja) in Iowa, Minnesota, Illinois und Missouri (USA) entstand binnen weniger Jahre im Golf von Mexiko eine Todeszone von 20.000 km². Wie soll das gehen? Liegen doch diese Staaten im zentralen Norden der USA. Das ist richtig. Doch die Gülle der dort ansässigen Schweinemastbetriebe (44 Mio. Schweine alleine in diesen 4 Staaten), sowie des Kunstdüngers der übersättigten Landwirtschaftsböden belasten den Mississippi erheblich. Und dieser mündet wiederum mit all den mitgeführten Nitraten und Phosphaten 2000 km weiter südlich im Golf von Mexiko. Wohlgemerkt, 20.000 km² toter Meeresboden.
Du denkst, das war schon die Spitze des Eisbergs? Leider nein, denn die größte Todeszone liegt direkt vor unserer eigenen Haustüre – in der Ostsee.
Hat die Ostsee schon generell ein Problem, bedingt durch ihre geographische Lage, durch den geringen Wasseraustausch über die kleine Verbindung zur Nordsee kommen noch viele andere Probleme hinzu. Auch hier wieder dasselbe Bild wie in den USA – Phosphate der Landwirtschaft und Nitrate der Mastbetriebe. Nährstoffe, die auch in den Meeren benötigt werden, doch nur in Masen, nicht in Massen. Über Jahrzehnte ist Phosphat und Nitrat durch die Überdüngung der Felder aller 9 Anrainerstaaten (Dänemark, Deutschland, Schweden, Finnland, Russland, Estland, Lettland, Litauen und Polen) ungehindert ins Grundwasser eingesickert, von dort langsam weiter über in die Flüsse in die Ostsee. Auch wenn alle Anrainerstaaten das Problem erkannten und Gesetze entstanden, die eine Überdüngung verbieten, so wurde hier was angeleiert, das kein Ende mehr nimmt.
Mittlerweile fließt zwar nur noch ganz wenig dieser durch Menschenhand entstandenen Nährstoffe über die Flüsse in die Ostsee, doch ist sie bereits total überladen mit toten Algen am Meeresboden. All dies hervorgerufen durch Jahrzehnte lange Überdüngung. Es entstand immer wieder eine künstlich hohe Algenblüte, doch dafür war zu wenig Zooplankton und kleine Fische vorhanden, um dieses Algenwachstum in Schach zu halten. Ergo, es starben dementsprechend viele Algen ab, die auf den Meeresboden landeten. Die Organismen freuten sich, hatten sie ja viel Organisches zu zersetzen. Also vermehrten auch sie sich und zwar ungeheuer schnell. Resultat daraus, diese Kleinstlebewesen verbrauchten den ganzen Sauerstoff am Meeresboden. Würde dauerhaft ein hoher Wasseraustausch mit sauerstoffreichen Wasser von der Nordsee stattfinden, wäre das Problem vielleicht nicht ganz so groß. Doch diese kleine Verbindung lässt da nicht viel zu.
Früher wurde das Wasser in der Ostsee durchschnittlich alle 3 Jahre über die Nordseeenge ausgetauscht. Durch den Faktor Klimaerwärmung geschah dies in den letzten 30 Jahren gerade noch dreimal. Zuviel totes, organisches Material in der Ostsee und ein zu geringer sauerstoffreicher Wasseraustausch über die Nordseeenge ließ in der Baltic Sea die größte Todeszone der Welt anwachsen – 60.000km².
Die Ostsee stirbt direkt vor unserer Haustür und keiner bekommt es mit.
Noch kurz zum Schluss ein paar Worte:
Sicherlich, es gibt noch viel mehr durch Homo Sapiens verursachte Umwelteinflüsse, die unsere Meere und Ozeane ins Schwanken bringen. Dieser Bericht sollte dir lediglich zeigen, wie der Lebensraum Meer (unter optimalen Umständen) funktioniert und doch mit „kleinsten“ Veränderungen in kürzester Zeit massiv geschädigt wird.
Wie sich Lärm durch Schifffahrt und Offshore-Anlagen auf das marine Leben auswirkt, was unser CO²- Ausstoß mit der Versauerung der Meere für Probleme mit sich bringt, welche Gefahren durch die Erwärmung der Meere und Ozeane entstehen, das alles steht auf einem anderen Blatt bzw. hoffentlich bald in einem anderen Bericht von uns.
Die Natur kann sich sehr gut von alleine regulieren. Zwar langsam aber stetig. Große und schnelle Veränderungen mag sie nicht.
Mach also bitte die Augen auf und sehe dir die Zeichen der Natur an. Sie mahnt uns fortlaufend, doch die wenigsten sehen diese Zeichen oder nehmen sie gar wahr.
Was kannst du tun?
Wir (Homo Sapiens) müssen uns ändern, wollen wir weiter ein Teil unseres Planeten, unserer Natur sein.
Doch wie soll das gehen? Hinterfrage dein Handeln – z.B. du isst einen Fisch. Was ist, wenn er weiter gelebt hätte, welchen Nutzen hätte er für das Meer gehabt? Frage dich selbst nach den Auswirkungen in der Natur durch dein persönliches Handeln.
Du musst dich nicht radikal von heute auf morgen ändern. So läufst du Gefahr an die Wand zu fahren. Versuch es einfach wie unsere Natur – Langsam aber stetig, vor allem aber mit Bedacht.
Vielen Dank für’s Lesen
Martin
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